Geschichte der karibischen Paartänze

Rumba  Danzon   Son   Merengue  Bolero  Mambo  ChaChaChá  Cumbia  Salsa  Vallenato

von Jördis und Henry Guzmán 1997 (Juan Carlos bedank sich sehr bei Jördis und Henry Guzmán, da sie eine großen Leistung beim Schreiben dieser Texten erbracht haben. y que viva la salsa!

Merengue

Merengue - die expressivste Form kreativer Eigendarstellung der Dominikaner und Ausdruck nationalen Selbstbewußtseins! 

Über den historischen Ursprung des merengue teilt sich das Heer der Sachverständigen in zwei Lager. Die einen vertreten die These einer bodenständigen Entwicklung. Auch innerhalb dieser Gruppe offenbaren sich die verschiedensten Überzeugungen. So schreiben einige Juan Babtista Alfonseca die "Vaterschaft" des merengue zu. Andere vermuten seine Enstehung als spontaner Ausdruck des Sieges gegen die Haitianer nach der Schlacht von Talanquera. Dritte wiederum pochen auf eine Ableitung aus Taino-Traditionen, die später mit kolonial-spanischen und afrikanischen Elementen vermischt wurden. Einer volkstümlichen Erklärung zufolge entstand der merengue während einer Fiesta, auf der ein hochrangiger Gast mit einem Klumpfuß zu tanzen versuchte. Um den Behinderten nicht zu brüskieren, übernahm die ganze Gesellschaft sein steifbeiniges Schlurfen - und der merengue war geboren ! Die anderen plädieren für eine externe Enstehung des merengue. Auch unter den Vertretern dieser "Importtheorie" herrscht Unklarheit, ob der Tanz direkt aus Afrika oder über den Umweg Kuba kam. Einige spekulieren sogar über eine Verbindung zu den berüchtigten Piraten von "La Tortuga", denn - Seeräuber tragen oft Holzbeine !!! 

Auch der Name "Merengue" bleibt geheimnisvoll. Leitet er sich von der bekannten Süßspeise aus Eierschnee und Zucker ab oder stammt er aus einer afrikanischen Sprache ? Gewiß allerdings ist, daß der merengue um 1850 in der Gegend von Cibao bereits präsent war und unter der Landbevölkerung rasch Anhänger gewann. Dagegen rümpften die Mitglieder der "feinen Gesellschaft" in den Salons der Städte die Nase über den Bauertanz. Erst während der Trujillo-Ära geläng dem bislang geächteten Tanzvergnügen auch der Einbruch in breitere gesellschaftliche Schichten. Trujillo hatte die Bedeutung des merengue als Propagandamittel erkannt und nutzte ihn als ideologisches "Frachtschiff" zu den entlegendsten Winkeln seines kleinen Reiches. Es heißt, daß der Tyrann selbst zum besessenen Tänzer wurde, der für sich das Privileg in Anspruch nahm, anläßlich seiner kostspieligen Bälle als erster das Tanz bein zu schwingen. 

Auf "Wunsch" des Diktators nahmen Radiosender den Merengue in ihr Programm auf. Die Plattenindustrie zog nach und zu guter Letzt wurden die Merengue- Festivals zum "Bestandteil des nationalen Kulturerbes" aufgewertet. Das Trujillo-Regime endete 1961 unrühmlich, der merengue jedoch, befreit von seinen politischen Fesseln, fand zu seinen Wurzeln zurück und wurde wieder Stimme des Volkes. Mehr noch, er integrierte neue Musikformen, erweiterte die Instrumentierung und gelangte schließlich auch auf andere Karibikinseln und in die USA. Dort haben moderne Interpreten wie z.B. Juan Luis Guerra und Wilfrido Vargas weltweite Erfolge erzeilt. Letzterer wurde 1990 sogar für einen "Grammy-Award" (dem "Musik-Oscar") nominiert. 

Heutzutage begleiten die Klänge des Merengue den Dominikaner auf Schritt und Tritt. Radiosender spielen rund um die Uhr. Die Menschen auf der Straße bewegen sich im Takt der Musik, die ihnen aus tragbaren Kasettenrecordern und den Deckenlautsprechern der colmados oder Restaurants entsgegenschallt. 

Musikkenner unterscheiden mehrere Stilrichtungen wie z.B. den bolemerengue, jalemerengue, juangomero und pambeche. Der Einfachheit halber reduziert der dominikanische Wissenschaftler den merengue auf zwei Grundtypen, den "traditionellen" und den "städtischen" merengue. Ersterer ankert im bäuerlichen Milieu und wird von Combos aus drei bis vier Feierabendmusikern (perico ripiao) vorgetragen. Die Texte, die man gewöhnlich in Mundart singt, werden traditionell von einer tambora, einer güirra und einem accordeon begleitet. Die tambora ist eine kleine Trommel afrikanischen Ursprungs mit Ziegenfellbespannung, die eingeklemmt zwischen den Knien linkshändig geschlagen und rechtshändig mit einem kleinen Schlegel (bollilo) gespielt wird. Als güirra, eigentlich eine der Taino-Folklore entlehnte Kürbis-Kalebasse mit Kerbschnitt, über die man ein Hölzchen schrappt, wird heute ein konischer Zinnzylinder verwendet. Das accordeon wurde im 19. Jahrhundert aus Deutschland importiert und gegenwärtig lokal auch durch ein Saxophon ersetzt. Pericoripiao-Combos spielen sehr zur Freude der Urlauber oft am Strand oder musizieren, angeworben von den Hotels, zur Abendunterhaltung. 

Der "städtische" Merengue, der auf dem Medienmarkt und den Nachtclubs dominiert, ist umfangreicher instrumentiert. Zu den bereits genannten Instrumenten gesellen sich Trompete, Posaune, E-Bass und Synthesizer. Bei den Interpreten handelt es sich meist um ausgebildete Musiker. Seine aktuellsten Auswüchse sind in Mischformen wie Tecno-, Rap- oder HipHop-Merengue auch in den internationalen Charts und Diskotheken vertreten, wie z.B. von Proyecto Uno, Sandy & Papo u.v.a. 

Traditionell setzt sich ein Merengue-Stück aus drei Suiten zusammen: dem paseo oder Entree, das der Tanzvorbereitung dient, dem merengue, der das Thema des Werkes entwickelt und dem jaleo, einer Art Crescendo, das als Höhepunkt meist mehrstimmig vorgetragen wird. Die Merengue-Texte erinnern an die afro-amerikanische Bluestradition. Obwohl natürlich der Themenauswahl keine Grenzen gesetzt sind, besingen die Lieder überwiegend Frauen, enttäuschte Liebe, Trinkgelage, prominente Zeitgenossen und historische Helden. Auch kommentieren sie die Alltagswelt, insbesondere die Armut und die politische Mißstände. Typisch für den Merengue ist der zündende Refrain, den die Sänger meist mehrstimmig ständig wiederholen. Liebeslieder erschrecken prüde Gemüter mit frivolem Hintersinn, sozialer Protest mischt sich mit frechem Humor. 

Ein Höhepunkt für jeden Merenguero ist das Festival del Merengue, das in der Dominikanischen Republik jedes Jahr in der dritten Juliwoche stattfindet. Tausende Dominikaner und Urlauber drängeln sich auf der Av. George Washington entlang dem Malecón, der Strandpromenade Sto. Domingos, und tanzen ausgelassen zu den Rhythmen der Combos, die auf provisorischen Plattformen das Publikum anheizen.